Trotz Aus bei Kulturhauptstadt-Wettbewerb: Nürnberg verfolgt Projekte weiter
Nürnberg ist nicht Kulturhauptstadt Europas 2025. Den Titel hat die Stadt Chemnitz erhalten. Die Entscheidung einer europäischen Jury verkündete die Vorsitzende des Gremiums, die Österreicherin Sylvia Amann, am Mittwoch, 28. Oktober 2020, bei einer Pressekonferenz der Kulturstiftung der Länder.
Kulturschaffende, Bürgerinnen und Bürger, das Bewerbungsteam und die Stadtspitze haben die Entscheidung mit großem Bedauern aufgenommen. Zeitgleich herrscht Aufbruchsstimmung: Nürnberg will die zentralen Projekte der Bewerbung konzentriert weiterverfolgen.
In seiner ersten Reaktion sagt Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König: „Ich bin sehr enttäuscht und traurig. Nürnberg hat sich – vom Bewerbungsbüro über den Stadtrat und die Stadtspitze bis in die freie Szene hinein – viele gute Gedanken gemacht. Ich danke Bürgermeisterin Prof. Dr. Julia Lehner für ihren überragenden Einsatz für dieses Projekt, ebenso danke ich dem Leiter des Bewerbungsbüros, Prof. Dr. Hans- Joachim Wagner, dem Team und allen, die sich in den vergangenen Jahren wahnsinnig engagiert eingebracht haben. Wir haben eine Bewerbung eingereicht, auf die wir stolz sein können, auch wenn es nicht geklappt hat. Der Titel Kulturhauptstadt Europas 2025 wäre einfach klasse für die Stadt gewesen, aber es sollte nicht sein. Jetzt werden wir all die Dinge, die wir als richtig, wichtig und zukunftsweisend identifiziert haben, anschauen. Vieles ist es sicher wert, weiterverfolgt zu werden.“
Die Bürgermeisterin, Geschäftsbereich Kultur der Stadt Nürnberg, Prof. Dr. Julia Lehner, kommentiert: „Bereits durch die Teilnahme am Wettbewerb fühlt sich Nürnberg als Sieger. Am Prozess der Bewerbung haben sich tausende Nürnbergerinnen und Nürnberger mit großer Leidenschaft und Intensität beteiligt. Explizit gilt allen Menschen in Stadt und Metropolregion, die die Nürnberger Bewerbung unterstützt und daran teilgehabt haben, größter Dank und höchste Anerkennung. Die Stadt Nürnberg will Kernprojekte weiterverfolgen, etwa die Kongresshalle am ehemaligen Reichsparteitagsgelände zu einem Ort der Kunst und Kultur entwickeln, das Haus des Spielens etablieren und die soziokulturellen Zentren zukunftsorientiert interpretieren. Auf dem Fundament der Bewerbung sollen nachhaltige Strukturen entstehen, die die Stadt in den kommenden Jahren prägen werden. Nürnberg hat die Zukunft freigeschaltet.“
Andreas Starke, Ratsvorsitzender der Metropolregion Nürnberg und Oberbürgermeister der Stadt Bamberg, sagt zu der Entscheidung: „Auch wenn die Entscheidung heute bedauerlich ist, bin ich überzeugt, dass Nürnberg und die Metropolregion durch den Bewerbungsprozess viel gewonnen haben. Die Dynamik und der Elan mit der regions- und institutionsübergreifend an wegweisenden Kulturprojekten gearbeitet wurde, hat unserer Kulturregion frischen Wind gegeben. Nun müssen wir uns genau anschauen, wo wir anknüpfen und welche Projekte in der Region trotzdem weitergeführt werden.“
Prof. Dr. Hans-Joachim Wagner, Leiter des Bewerbungsbüros, sagt zum Ausscheiden Nürnbergs: „Ich bedauere sehr, dass Nürnberg die Ernennung zur Kulturhauptstadt Europas nicht geglückt ist. Ich habe diese Stadt kennen und lieben gelernt und sehe in ihr nach wie vor großes Potenzial. Der immense Einsatz, den die Menschen in der Stadt und der Region für die Kulturhauptstadt gebracht haben, ist aber nicht umsonst gewesen. Wichtige Impulse wurden gesetzt und es hat ein Umdenken in Hinblick auf Kunst und Kultur in Nürnberg und der Region begonnen. Mit dem nun in Kraft tretenden ‚Plan B‘ werden die entscheidenden Prozesse in Zukunft fortgesetzt. Sei es die Internationalisierung der Kunst- und Kulturszene, seien es internationale Kunstprojekte oder die Erschließung neuer Räume für künstlerische Produktion – Nürnberg geht in jedem Fall mit neuen Perspektiven aus dem Bewerbungsprozess hervor.“
Der Bewerbungsprozess hat in Nürnberg und der Metropolregion große Dynamik entwickelt. Innovative Projekte wurden angestoßen und neue interdisziplinäre Netzwerke haben sich gebildet. Zahlreiche Projekte wurden mit dem Rückenwind der Bewerbung auf den Weg gebracht und sollen weiterverfolgt werden. Dazu zählen insbesondere nachhaltige Strukturprojekte.
- Kongresshalle: Im Torso der Kongresshalle auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände soll ein Teilstück für Kunst und Kultur nutzbar gemacht werden. Diese Nutzung ermöglicht die zukunftsorientierte Weiterentwicklung der erinnerungskulturellen Arbeit Nürnbergs. Mit Beteiligung von Kunst- und Kulturschaffenden konnte eine umfassende Bedarfsanalyse bereits erfolgen. 2021 wird in einem partizipativen Prozess die detaillierte Konzeptentwicklung beginnen.
- Haus des Spielens: Im Pellerhaus entsteht ein internationales Zentrum der Spielkultur, das die Entwicklung des Spielens insbesondere in der digitalen Dimension fortschreibt. Ziel ist kein klassisches Museum, sondern ein GamesLab, ein Ort für Würfel und Joysticks, für Konferenzen, Hackathons, gemeinsames Spielen und spannende Experimente. Der hierfür nötige Ausbau des Gebäudes wird 2021 in Angriff genommen.
- Weiterentwicklung der Kulturläden: Die Nürnberger Kulturläden sind weit über die Stadt hinaus bekannt und sollen nun für das Publikum der Zukunft neu gedacht und konzeptionell mit den Bewohnerinnen und Bewohnern vor Ort weiterentwickelt werden. Das Pilotvorhaben „KommVorZone“ ist seit kurzer Zeit in der Nürnberger Südstadt angelaufen.
- The Garage Project – Die Nürnberg2025-Initiative für die Kultur- und Kreativwirtschaft: In einem mehrstufigen Prozess wird die Alte Feuerwache 1 zum Ort für digitale Transformation in Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft und für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, mit einem Fokus auf Medien, Design und Digitales.
Nürnbergs Kulturstrategie
Die Kulturstrategie Nürnbergs wurde als langfristige kulturelle Entwicklungslinie vom Nürnberger Stadtrat bereits am 31. Januar 2018 beschlossen und ist unabhängig vom Titel einer Kulturhauptstadt handlungsweisend. In einem breit angelegten Diskurs wird Nürnberg kritisch und innovativ die weitere kulturpolitische Ausrichtung der Stadt im Miteinander gestalten. Nürnberg wird auf vielen Ebenen einen großen Sprung nach vorne machen: So werden in Zukunft neue Fördermodelle erprobt und die Internationalisierung der Kunst- und Kulturszenen weiter vorangetrieben. Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Institutionen und diversen Szenen vor Ort wird intensiviert.
Zudem stehen weitere infrastrukturelle Maßnahmen auf der Agenda: der Ausbau des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände, die Neukonzeption und Erweiterung des Memoriums Nürnberger Prozesse, die Entwicklung der Zeppelintribüne und des Zeppelinfelds zum Lern- und Begegnungsort im Bereich der Erinnerungskultur und die Neuaufstellung des Museums Industriekultur.
Der Bewerbungsprozess hat der Europäischen Metropolregion einen großen Impuls verliehen und einen beispiellosen Prozess der Kooperation in Gang gesetzt. Mehr als 250 Kulturakteure haben in den letzten Jahren wegweisende Projekte erarbeitet, von denen etliche umgesetzt werden sollen, wie etwa „Toys of Tomorrow“ mit lokalen Unternehmen und internationalen Designerinnen und Designern oder „Forward Participation“, das die Inklusion von Kultureinrichtungen der Region vorantreiben wird.
Der Bewerbungsprozess
Am 14. Dezember 2016 beschloss der Stadtrat, sich um den Titel der Kulturhauptstadt Europas 2025 zu bewerben. Im Rennen um diesen Titel konkurrierte Nürnberg mit den Städten Hannover, Magdeburg, Hildesheim, Chemnitz, Dresden, Gera und Zittau. Über den Ausgang des Bewerbungsverfahrens hatte eine zwölfköpfige Jury zu entscheiden, deren Mitglieder durch das Europäische Parlament, den Rat der Europäischen Union, die Europäische Kommission, den Ausschuss der Europäischen Regionen sowie die Kultusministerkonferenz der Länder und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien mit dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik ernannt wurden.
Zum 30. September 2019 mussten alle Bewerberstädte ein erstes, 60-seitiges Bewerbungsbuch bei der Kulturstiftung der Länder in Berlin einreichen, die den Wettbewerb im Auftrag der Europäischen Union landesweit koordinierte. Im Dezember 2019 präsentierten sich Delegationen der Bewerberstädte in Berlin vor der Jury, die anschließend entschied, mit Hannover, Magdeburg, Hildesheim, Chemnitz und Nürnberg fünf Städte im Wettbewerb zu belassen. Die verbliebenen Bewerberstädte mussten zum 21. September 2020 ein zweites, 100-seitiges Bewerbungsbuch einreichen. Aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen fanden im Oktober 2020 sowohl die anschließenden „City-Visits“, die Vor-Ort-Besuche der Jury, als auch die finale Präsentation der Bewerbungen auf digitalem Weg statt.
Neben Deutschland stellt Slowenien 2025 eine Europäische Kulturhauptstadt, die im Dezember 2020 gekürt wird. Weitere Informationen zum Bewerbungsverfahren, zum Programm und zu den einzelnen Projekten befinden sich auf www.n2025.eu, Informationen zur Kulturstrategie gibt es unter www.nuernbergkultur.de.