Regionale Bierproduktion benötigt 25.000 Fußballfelder Braugerste
Großräumiges Leitbild zur Flächenentwicklung und Regionalprodukten auf Jahreskonferenz der Metropolregion Nürnberg beraten.
Jede Bürgerin und jeder Bürger der Metropolregion Nürnberg benötigt für seinen Jahreskonsum an fränkischem Bauernbrot rund 30 Quadratmeter Getreide-Anbaufläche. Für das gesamte in der Metropolregion Nürnberg konsumierte Bier werden umgerechnet 250 Fußballfelder Hopfen-Anbaufläche benötigt. Für die erforderliche Braugerste sind es sogar 100 Mal so viel. Diese Ergebnisse, die im Rahmen des Forschungsprojekts „ReProLa – Regionalproduktspezifisches Landmanagement in der Metropolregion Nürnberg“ in einer zweijährigen Forschungsphase ermittelt wurden, zeigen, dass die Erzeugung regionaler Produkte und die dafür benötigten landwirtschaftlichen Flächen in engem Zusammenhang stehen.
Erstmals vorgestellt wurden die Ergebnisse der Projektpartner von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), der Forschungsgruppe Agrar- und Regionalentwicklung Triesdorf (ART), der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS) und der Stadt Nürnberg bei der virtuellen Jahreskonferenz der Metropolregion Nürnberg am 6. November. Darauf aufbauend, wurde ein Leitbild zur großräumigen Flächenentwicklung und Förderung von Regionalprodukten in der Metropolregion entwickelt und bei der Konferenz beraten. Rund 150 kommunale Vertreterinnen und Vertreter, darunter LandrätInnen und BürgermeisterInnen, tauschten sich darüber aus, wie das Leitbild in den Kommunen umgesetzt werden kann und welche Potenziale die vorgeschlagenen Maßnahmen für den Erhalt von landwirtschaftlichen Flächen bieten.
Thorsten Glauber, Bayerischer Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz, stellte in seinem Keynote-Vortrag fest: „Die Metropolregion Nürnberg ist ein starkes Herz mitten in Europa und ein Kraftwerk für Ideen. Sie steht für Vielfalt, das Bunte, Wirtschaftliche und Kulturelle. Und die Metropolregion nimmt den Auftrag an, verantwortungsvoll mit unserer schönen Heimat umzugehen. Das zeigt auch das Projekt ReProLa: Es bedeutet Nachhaltigkeit, Klimaschutz, regionale Kreisläufe und vielfältige, regional erzeugte Lebensmittel. Das Ausschöpfen der Potenziale regionaler Produktion ist ein Gewinn für das Klima, das Tierwohl und für die Menschen."
„Wir wollen als erste Metropolregion ein großräumiges Leitbild zur Flächenentwicklung einführen und ein Flächenmonitoring-Tool für die Region entwickeln. So wollen wir den Bestand an landwirtschaftlichen Flächen für die Herstellung von Regionalprodukten dauerhaft sichern,“ ergänzt Dr. Hermann Ulm, Landrat des Landkreises Forchheim und Sprecher des Projektes ReProLa. „Nur so können wir unsere einmalige Vielfalt an Regionalprodukten bewahren. Wenn wir unsere hohe Lebensqualität erhalten und Lebensmittelsouveränität für unsere Bürgerschaft wollen, dann brauchen wir gemeinsame Lösungen.“
Metropolregion Nürnberg ist flächenmäßig eine der größten Metropolregionen
Die Metropolregion Nürnberg ist flächenmäßig eine der größten deutschen Metropolregionen mit dem höchsten Anteil landwirtschaftlicher Fläche. Zwischen 2004 und 2018 gingen in der Metropolregion etwa 6,25 Prozent ihrer Landwirtschaftsfläche verloren. Das entspricht insgesamt rund 70.000 Hektar und circa 5.000 Hektar jedes Jahr. Rechnerisch verlieren damit jedes Jahr rund 150 landwirtschaftliche Betriebe ihre Bewirtschaftungsgrundlage. Wenn landwirtschaftliche Flächen schrumpfen, verändern sich zugleich die Landschaftsbilder, aber auch das traditionelle Handwerk und die kulturelle Identität, die mit der Herstellung von typischen Lebensmitteln und Spezialitäten der Metropolregion verbunden ist.
Dabei sind Regionalprodukte wichtig. Sie schaffen Arbeitsplätze und Wertschöpfung: Allein im produzierenden Ernährungsgewerbe sind in der Metropolregion rund 35.000 Beschäftigte tätig, hinzu kommen etwa genauso viele, die im Lebensmittelhandwerk beschäftigt sind. Rechnet man noch die Beschäftigten in Landwirtschaft und Gastronomie hinzu, macht die Branche mehr als fünf Prozent der Beschäftigten in der Metropolregion aus. Die Nachfrage der Verbraucher nach Regionalprodukten aus der Metropolregion steigt. Die Branche verzeichnet ein leichtes Wachstum und steigende Umsätze. Hiervon profitieren jedoch hauptsächlich Großbetriebe. Kleine, regional agierende Handwerksbetriebe stehen hingegen stark unter Druck, da sich Fachkräftemangel und fehlende Betriebsnachfolge bemerkbar machen. Besonders ökonomisch relevant ist die Bierbranche, da hier über Mälzereien, Hopfenverarbeitung und Brauereien die gesamte Wertschöpfungskette in der Region verortet ist.
Das auf der Konferenz vorgeschlagene und diskutierte Leitbild soll als Orientierungsrahmen für die Kommunen gelten und bei der Entscheidungsfindung unterstützen, insbesondere wenn es um Flächenkonkurrenzen geht. Im Projekt wird dazu ein Flächenmonitoring-Tool für Gemeinden entwickelt, das Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte, aber auch ökologische Effekte von Regionalprodukten berücksichtigt und diese in Bezug zur großräumigen Metropolregion setzt. Schleichende Entwicklungen – wie die des Verlustes an landwirtschaftlichen Nutzflächen in den letzten Jahren – werden durch die gleichzeitige großräumige Betrachtung sichtbar. Zusätzlich wird die Zielsetzung des Freistaats Bayern im Leitbild berücksichtigt, welche besagt, dass bis 2030 in Bayern 30 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen ökologisch bewirtschaftet werden sollen.
Konkrete Projektideen in kleinen Gruppen diskutiert
Ab 2021 werden Pilotprojekte umgesetzt, die zeigen wie die regionale Wertschöpfung verstärkt werden kann. Konkrete Projektideen wurden in kleinen Gruppen bei der Jahreskonferenz diskutiert. Unter anderem sind eine gemeinsame Dachmarke und Angebote zur besseren Vermarktung von Streuobst-Produkten aus der Metropolregion im Gespräch. Hinzu kommt ein Bildungsprojekt zur Kulturlandschaft, bei dem die bereits zahlreich vorhandenen Lehrpfade, Erlebnisorte und Veranstaltungen in der Metropolregion mit Bezug zu Regionalprodukten und Kulturlandschaft sicht- und erlebbar gemacht werden sollen. Ziel aller Projekte ist es, das Bewusstsein der Kommunen und der Bevölkerung für die Wertigkeit von regional erzeugten Produkten und für die zentrale Bedeutung von regionalen Landwirtschaftsflächen als Ernährungsgrundlage zu stärken.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt ReProLa seit 2018 im Rahmen der Fördermaßnahme „Stadt-Land-Plus“. Das Forschungsprojekt wird durch die Geschäftsstelle der Metropolregion Nürnberg koordiniert und von vier Projektpartnern wissenschaftlich begleitet. Mehr Informationen unter www.reprola.de
Unter www.reprola.de/tagungsdokumentation stehen der Leitbild-Entwurf und alle Vorträge zum Download. Auch Videos der Konferenz sind online einsehbar.