Nora Gomringer
Laudatio / Text von Peter Braun (Publizist und freier Journalist):
Die Anfrage kam auf sanften Pfoten daher: Die Lyrikerin, Poetry-Slamerin und derzeitige Direktorin des Internationalen Künstlerhauses Bamberg, Nora Gomringer, wird als Künstlerin des Monats März 2012 der Metropolregion Nürnberg ausgezeichnet. Könnten Sie dazu eine Ladautio schreiben? Ungefähr eine Seite? Freilich kann ich das für eine europaweit geschätzte Schriftstellerin und Kollegin gern tun, die für ihre Werke erst unlängst den renommierten Jacob-Grimm-Preis erhielt und demnächst mit dem Joachim-Ringelnatz-Preis ausgezeichnet wird. Zusage gegeben, und schon schnappte die Falle zu, denn das hatte ich nicht bedacht: Eine Seite, die überfüllt allein schon die Aufzählung ihrer Gedichtbände, Preise und Stipendien, und dabei ist Nora Gomringer gerade mal 32 Jahre alt. Doch zu spät, und daher: Geboren an der Saar, Umzug in den Frankenwald, Umzug nach Bamberg. Dort Schule und Universität, doch nicht nur dort: Manchester ist eine Lernstation, Los Angeles, New York, genauso wie eine High-School in Pennsylvania. Internationalität – das zeichnet sie aus von Anfang an. Und länderübergreifend ist sie geblieben. Allein die Lesereisen und Schriftstellerstipendien: Kanada, USA, Zypern, Rußland, Schweiz, Peking, Rom, Paris, Venedig, Neu-Dehli. Dazu die Veröffentlichungen und Übersetzungen ihres Schriftstellerwerks wie etwa „Silbentrennung“, „Sag doch mal was zur Nacht“, „Klimaforschung“, „Nachrichten aus der Luft“ oder „Ich werde etwas mit der Sprache machen“: englisch, schwedisch, belarussisch, französisch, spanisch, polnisch. Dazu ihre Preise und Auszeichnungen: „Writer in Residence“ in Sheffield, Poetikprofessur in Kiel, Poetikdozentur in Landau, Nikolaus-Lenau-Lyrikpreis, Bayerischer Kulturpreis, Internationaler Lyrikpreis Turin, Literaturpreis Erlangen, Pablo-Neruda-Preis – und auch hier immer mehr und noch mehr.
Preise, Stipendien, Lesereisen, ihr literarisches Werk: Ist das Nora Gomringer? Ja. Und Nein. Denn diese nüchternen Listen können eines nicht: auch nur annähernd einen Endruck ihrer Lesungen und Rezitationsabende geben. Genau das aber ist ihr Element: vor Publikum stehen. Nicht umsonst ist sie eine der treibenden deutschsprachigen Kräfte der unterdessen weltweiten Poetry-Slam-Szene, die sie maßgeblich mitbegründet hat. „Vorsicht! Nora Gomringer könnte Sie amüsieren, irritieren, aus den richtigen Gründen zum Weinen bringen! Ist alles schon vorgekommen ...“ Das stimmt. Die Gedichte Nora Gomringers wollen gelesen, Nora Gomringer selbst aber muß erlebt werden. Ich rate Ihnen daher: nutzen Sie ihren Tourplan, schauen Sie, wann sie in Ihrer Nähe ist, und gehen Sie hin! Und dem Lobredner, der, sagen wir in zehn Jahren, die Anfrage nach einer Laudatio für Nora Gomringer erhält, dem rate ich: lehnen Sie ab! Ernsthaft, denn das ist sicher: alle ihre weiteren Stipendien, Preise, Gedichtbände, die sehr gewiß kommen werden, dann auch nur aufzählen zu wollen, wird Sie in erhebliche Schwierigkeiten bringen, zumal wenn es heißt: Ungefähr auf einer Seite, denn das geht schon heute nicht mehr. (Peter Braun)
Foto: Anny Maurer
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