Klimapakt2030plus: Fahrplan für die Energiewende in der Metropolregion Nürnberg
Die mit der Steuerung der regionalen Energiewende beauftragten politischen Spitzenvertreter:innen demonstrierten gestern im Energiepark Hirschaid geschlossen Aufbruchstimmung: Nordbayern soll raus aus der fossilen Abhängigkeit.
Klimapakt2030plus: Kommunalpolitik, Energieversorger, Forschung und Zivilgesellschaft organisieren gemeinsamen Fahrplan für die Energiewende in der Metropolregion Nürnberg
Bereits 2011 haben sich die 34 Landkreise und kreisfreien Städte der Metropolregion Nürnberg mit einem Klimapakt auf ihren regionalen Beitrag zum Klimaschutz verpflichtet und diesen 2017 entsprechend der Pariser Klimaziele aktualisiert. Seither wurde ein Teil der Treibhausgas-Emissionen eingespart, doch mit dem aktuellen Reduktionstempo würde die Metropolregion ihren notwendigen Beitrag zur Drosselung der Erderwärmung auf unter 2 Grad Celsius deutlich verfehlen. Das ist nicht nur bedrohlich für Menschen und Umwelt, sondern auch ökonomisch problematisch.
Mit dem Projekt „Klimapakt2030plus – Energiewende in der Metropolregion Nürnberg“ soll der klimaneutrale Umbau der Strom- und Wärmeversorgung sowie die energetische Gebäudesanierung in der Metropolregion deshalb kräftig beschleunigt werden. Zentrale Frage ist, welche Weichen auch politisch in der Region gestellt werden können, um die Emissions-Limits zur Begrenzung der Erderwärmung einzuhalten. So sollen bis 2027 in den Landkreisen, Städten und Gemeinden etliche neue Initiativen auf den Weg gebracht und schließlich Teil eines langfristigen und konkreten Transformationsfahrplans für die gesamte Metropolregion werden, der die Kräfte von Kommunen, rund 80 Energieversorgungsunternehmen sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen des Klima- und Wohngebäudesektors in Nordbayern verbindet.
Das Projekt „Klimapakt2030plus“ bringt die entscheidenden Akteure all dieser Ressorts zusammen. Die operative Projektführung und wissenschaftliche Begleitung des „Klimapakt2030plus“ übernimmt dabei ein Verbund aus sechs Partner-Institutionen, darunter:
- die Europäische Metropolregion Nürnberg mit der Geschäftsstelle des Forums Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung (Projektkoordination)
- die ENERGIEregion Nürnberg e.V.
- die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg mit dem Energie Campus Nürnberg
- die Hochschule Coburg
- die Justus-Maximilians-Universität Würzburg
- die HafenCity Universität Hamburg
Es könne bundesweit richtungsweisend werden, wie auf einem so großen Stadt-Land-Gebiet wie der Metropolregion Nürnberg politisch kooperiert wird und dabei Praxis und Forschung ineinandergreifen, heißt es aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Das Bundesministerium fördert das Projektvorhaben im Rahmen seines FONA-Programms (Forschung für Nachhaltigkeit) mit 4,6 Mio. Euro.
Politischer Wille & interkommunale Kooperation als Motor der Energiewende
Erstmals tagten gestern die vom Rat der Metropolregion Nürnberg mit der Steuerung der Energiewende beauftragten Bürgermeister, Landräte und Regierungspräsident:innen (Lenkungskreis „Klimapakt2030plus“) im Energiepark Hirschaid. Sie wollen dafür sorgen, dass die Kommunen der Metropolregion Nürnberg beim Thema Energie und Klimaschutz viel enger miteinander kooperieren und die Infrastruktur für die gesamte Region zukunftsfähig machen – etwa durch neue Wind- und Solarparks, Speicheranlagen und Netze.
„Die dringend nötige Transformation bringt für unsere Kommunen vielfältigen Nutzen, aber eben auch Umstellungen und zeitweise Belastungen mit sich. Das müssen wir politisch ausmoderieren“, kommentierte der Erlanger Oberbürgermeister Dr. Florian Janik, der einer der Vorsitzenden des neuen Lenkungskreises „Klimapakt2030plus“ ist. Der Wunsiedler Landrat Peter Berek, ebenfalls Vorsitzender des Lenkungskreises, zeigte sich überzeugt: „Keine unserer Gemeinden kann sich künftig 24/7 an 365 Tagen im Jahr mit grüner Energie selbst versorgen. Als starke Stadt-Land-Allianz können wir uns aber gegenseitig voranbringen.“
Eine zügige, effiziente Energiewende in Nordbayern soll nun u. a. über die interkommunalen Gremien der Metropolregion (Politische Entscheiderebene: Ratsversammlung der Metropolregion; Lenkungskreis „Klimapakt2030plus“; Arbeitsebene: u. a. Forum Klimaschutz & nachhaltige Entwicklung) und einen zeitgemäßen, bindenden Klimapakt für die Metropolregion vorangetrieben werden. Der zuletzt 2017 verabschiedete Klimapakt wird dafür erneuert und soll dann als verbindliches politisches Zielpapier in allen Gemeinden implementiert werden. Die Sondierungen dazu haben bereits begonnen.
Einige kommunale Vorreiter gibt es bereits in der Metropolregion: Zu sehen etwa in Wunsiedel, wo die Stadtwerke bereits seit Jahren auf den dezentralen und ökologischen Umbau von Energieerzeugung, -verteilung und -speicherung setzen. Ähnlich die Stadt Haßfurt, die Bayerns erste vollständig wasserstoffbasierte und CO2-freie Speicherkette für regenerativen Strom im Einsatz hat. Größte Herausforderung bleibt dagegen auch die städtischen Ballungsräume in der Metropolregion mit ausreichend grüner Wärme und Strom zu versorgen. Es komme deshalb darauf an, die entwickelten Technologien und Vorreiter in die Fläche zu bringen, betonte Landrat Peter Berek.
Dreiklang für den Projekt-Erfolg:
Wissenschaftliche Fundierung, politische Verantwortung und enge Beteiligung der Zivilgesellschaft
Das Projekt „Klimapakt 2030plus“ bündelt neben den politischen noch viele weitere Kräfte der Region: So entwickeln Forscher:innen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, der Hochschule Coburg und der Julius-Maximilians-Universität Würzburg im Rahmen des Projektes ein in seinem Umfang und Detailgrad einmaliges „Simulationstool Energieflüsse“. Die gemeinsame Vorarbeit im Projekt „ESM-Regio“ in der Region Bayreuth wird damit auf die Metropolregion ausgedehnt. Strom- und Wärmeflüsse ebenso wie die Verkehrsknoten der Elektromobilität können damit absehbar für die ganze Region wie auch für jede Kommune modelliert werden. Die für eine erfolgreiche Energiewende notwendigen Anpassungen der Infrastruktur lassen sich so anschaulich und präzise durchspielen, etwa wenn neue Windparks geplant werden. „Unser Simulationsmodell macht die Energieflüsse und Interaktion aller Sektoren und Netzebenen berechenbar – und schließt damit eine große Lücke. Eine gute Informationsbasis ist die Basis für eine weitsichtige Entscheidungsfindung“, fasst Dr. Thomas Pircher zusammen, der das Teilprojekt am Energie Campus Nürnberg koordiniert.
In zwei sogenannten „Reallaboren“ mobilisiert der „Klimapakt2030plus“ die Energiewende in der Praxis. Unter Leitung von Simon Reichenwallner knüpft die ENERGIEregion Nürnberg e.V. dafür entsprechende Netzwerke unter 80 Energieversorgern, der Gebäudebranche sowie den zivilen Klima- und Energiewendebündnissen der Region. Angeboten werden sowohl überregionale Fach- und Austauschformate als auch Werkstätten, in denen lokale, modelltaugliche Pionierprojekte entwickelt werden sollen. Beispiel: Mit Hausverwaltungen, Hauseigentümer-Verbänden und Handwerkskammern werden Instrumente erprobt, die die Sanierungsquote in der Metropolregion wesentlich steigern sollen.
Sozialwissenschaftlich begleitet und evaluiert wird der politische Prozess, wie auch die Methodik der Reallabore, im Projekt „Klimapakt2030plus“ durch Prof. Dr. Jörg Knieling und sein Team von der HafenCity Universität Hamburg. Sie entwickeln im Fachbereich Stadtplanung und Regionalentwicklung innovative Ansätze für die nachhaltige Entwicklung insbesondere von Metropolregionen. In Nordbayern soll ihre Expertise gewährleisten, dass die politischen und zivilgesellschaftlichen Initiativen im „Klimapakt2030plus“ tatsächlich vor Ort angenommen und gesellschaftlich wirksam werden.
Projektleiter Sebastian Hemmer fasst das Gesamtvorhaben „Klimapakt2030plus“ zusammen: „Das Projekt ist ein Werkzeugkasten. Wir verbinden damit viele Zahnräder, um die Metropolregion zu einem Maschinenraum der Energiewende zu machen.“
Über die Metropolregion Nürnberg
Metropolregion Nürnberg, das sind 23 Landkreise und 11 kreisfreie Städte – vom thüringischen Landkreis Sonneberg im Norden bis zum Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen im Süden, vom Landkreis Kitzingen im Westen bis zum Landkreis Tirschenreuth im Osten. 3,6 Millionen Einwohner erwirtschaften ein Bruttoinlandsprodukt von 148 Milliarden Euro jährlich. Eine große Stärke der Metropolregion Nürnberg ist ihre polyzentrale Struktur: Rund um die dicht besiedelte Städteachse Nürnberg-Fürth-Erlangen-Schwabach spannt sich ein enges Netz weiterer Zentren und starker Landkreise. Die Region bietet deshalb alle Möglichkeiten einer Metropole – jedoch ohne die negativen Effekte einer Megacity. Bezahlbarer Wohnraum, funktionierende Verkehrsinfrastruktur und eine niedrige Kriminalitätsrate machen die Metropolregion Nürnberg für Fachkräfte und deren Familien äußerst attraktiv. www.metropolregion.nuernberg.de